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Julia Mittelstrass
       
           
         
 

Bilder einer Freundschaft

  In meiner Seele ein Fotoalbum. Momentaufnahmen, Diashow, kleine Filme.
Wie konserviert lagern sie ein Leben lang in einem Herzen, manchmal fehlt der Ton, manchmal der passende Geruch, mal bleibt der Geruch, aber das Bild dazu ist nicht mehr da. Oder es fehlen Teile eines einmal vollständigen Bildes, wie die abgeschlissene Kante eines Fotos ein Detail unkenntlich macht oder es verschwinden lässt. Aber in Freundschaften wirkt die Zeit in zwei Richtungen. Wie Bilder verloren gehen, kommen neue hinzu. Oder verloren geglaubte werden lebendig in neuen Begegnungen mit alten Freunden. Heute greife ich hinein in den Bilderreichtum der Vergangenheit und ziehe heraus, was mir gefällt.

Sehe einen tapferen Blondschopf den Gehsteig entlang schwanken, bemüht die gerdade erst erlernte Balance auf den eigenen Beinen zu halten. Hinterher krabbelt ein weiterer Blondschopf, staunend über die neue Dimension der Fortbewegung. Möglich, aber noch nicht für mich! Dann wieder fliegen bunte Stifte durch die Erinnerung, Ergebnis eines über dem gemeinsamen Malen entstandenen Streits. Wütende Flüche, Freundschaftskündigungen, ausgerissene Haare in geballten Fäusten. Nächtliches Umziehen durchs Treppenhaus, mit der eigenen Bettdecke beladen: Ich will doch nicht bei Katrin schlafen! Dann wieder ist die Freundin meine größte Beschützerin, die auf dem Weg durch den Wald mutig den Hockeyschläger in der Luft schwenkend behauptet, mich gegen alles Böse auf dieser Welt zu verteidigen. Und nichts weniger hat sie getan. Die Zeit hat die Methoden verändert, es landen keine Stifte mehr in Gesichtern, vielleicht Worte in Telefonhörern, es werden keine Hockeyschläger mehr erhoben, sondern es wird kurz entschlossen auf Züge aufgesprungen, um Küchengespräche unter Freunden zu führen (Anm.: dank der Reiselust der einen und der gemütlichen Küchen der anderen...).

Es wird sich gegenseitig verziehen, dass sie so ist wie sie ist, wie sie war, wie sie wurde. Sich gekannt. Freunde. In der Kindheit ein Bündnis geschlossen, das in die Gegenwart wirkt. Es ist nicht immer aktiv und wird nicht immer beschworen. Es existiert. Es leuchtet auf, wird es von einer der beiden angestrahlt. Ein Fixstern. Ihm ist es egal, ob es bewölkt ist oder nicht. Wer ihn kennt, findet ihn immer.



Julia Mittelstraß

Hamburg, 10. April 2002


kontakt: julia.mittelstraß@thalia-theater.de



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